Therapie
Homocystein und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Die Ergebnisse von mehr als 80 Studien zeigen, dass bereits moderat erhöhtes Homocystein im Blut das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht (4).
Aus einer Analyse von Beobachtungsstudien für Blut- und Homocystein-Kreislauf-Erkrankungen geht hervor, dass eine anhaltende Abnahme der Plasma-Homocystein-Werte von nur 1 Mikromol / Liter zu einer etwa zehnprozentigen Risikoreduktion führt (15). Der Mechanismus durch den Homocystein das Risiko von Kreislauf-Erkrankungen erhöht, ist nach wie vor Gegenstand von intensiver Forschung, er könnte aber negative Auswirkungen von Homocystein auf die Blutgerinnung, arterielle Vasodilatation (Gefäßweitung), und Verdickung der Gefäßwand beinhalten (16).
Obwohl erhöhtes Homocystein im Blut konsequent mit einem erhöhten Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Zusammenhang gebracht werden kann, wurde noch nicht klar bewiesen, dass die Senkung des Homocystein-Spiegel das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen senkt. In den USA empfiehlt die American Heart Association ein Screening für erhöhte Homocystein-Spiegel bislang nur in Patienten mit "hohem Risiko", zum Beispiel Personen mit vorherigem oder familiärem Vorkommen vorzeitiger Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Unterernährung oder Vitamin-Aufnahmestörungen, Schilddrüsenunterfunktion, Niereninsuffizienz, Lupus, oder bei Einnahme bestimmter Medikamente (Nikotinsäure, Theophyllin, Gallensäure-bindende Harze zur Cholesterinsenkung, Methotrexat, und L-Dopa).
Ein Großteil der Forschung weist darauf hin, dass Plasma-Homocysteinspiegel von weniger als 10 Mikromol / Liter in Verbindung mit einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steht und dieser Wert ein angemessenes Behandlungsziel für Personen mit hohem Risiko darstellt (17).
Folsäure und Homocystein
Eine folatreiche Ernährung wurde in Zusammenhang mit der Reduzierung des Risikos von Herz-Kreislauf-Erkrankungen gebracht. Eine Studie, die 1980 finnische Männer für zehn Jahre lang beobachtete, stellte fest, dass diejenigen, die die meiste Folsäure mit der Nahrung konsumiert hatten, ein 55% geringeres Risiko eines akuten koronaren Ereignisses im Vergleich zu denjenigen hatten, die am wenigsten Folsäure zu sich genommen hatten (18). Von den drei Vitaminen, die den Homocystein-Spiegel regulieren (Folsäure, B6, B12), zeigte sich bei Folsäure die größte Wirkung in der Senkung des Homocystein-Grundspiegels im Blut, solange nicht gleichzeitig ein Mangel an Vitamin B12 oder Vitamin B6 vorlag. Eine Erhöhung der Folsäure-Aufnahme durch angereicherte Lebensmittel oder Ergänzungen hat die direkte Senkung der Homocysteinwerte gezeigt. Darüberhinaus sind die durchschnittlichen Blut-Homocysteinspiegel seit der Anreicherung von Getreide mit Folsäure zurückgegangen (9). Eine kürzlich durchgeführte Meta-Analyse von 25 randomisierten kontrollierten Studien konnte feststellen, dass eine Ergänzung mit 800 mcg Folsäure täglich die Plasma-Homocystein-Konzentrationen maximal reduzierte; täglichen Dosen von 0,2 mg und 0,4 mg Folsäure führten zu einer Reduzierung um 60% bzw. 90% (19). Ein Ergänzungsschema in Form von 400 mcg Folsäure, 2 mg Vitamin B6 und 6 mcg Vitamin B12 täglich wurde von der American Heart Association befürwortet, falls ein erster Versuch einer folsäurereichen Ernährung den Homocysteinwert nicht ausreichend senken konnte (17). Mehrere randomisierte, Placebo-kontrollierten Studien wurden durchgeführt oder sind im Gange, um festzustellen, ob die Senkung von Homocystein durch die Ergänzung mit Folsäure und anderen B-Vitaminen das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringern kann. Eine erste Meta-Analyse von Daten aus vier der laufenden Studien mit rund 14.000 Personen, ergab, dass eine Ergänzung von B-Vitaminen keinen signifikanten Einfluss auf das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Schlaganfall hatte (20). Auch eine andere Meta-Analyse von 12 randomisierten kontrollierten Studien, einschließlich der Daten von 16.958 Personen mit vorbestehenden Herz-Kreislauf-oder Nierenerkrankungen, konnte nicht feststellen, dass eine Folsäure-Ergänzung hatte Einfluss auf das Vorkommen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall, oder der allgemeinen Mortalitätsrate hatte, trotz einer Senkung der Homocysteinwerte um 13% bis 52% (21). Die American Heart Association hatte daher keine Empfehlung für die Verwendung von Folsäure für die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Frauen mit hohem Risiko mehr ausgesprochen (22). Ein Abschluss der laufenden klinischen Studien sollte eine klarere Antwort zur Frage geben, ob Folsäure zur Prävention oder nur bei der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Schlaganfall hilfreich ist.
Krebs
Es wird angenommen, dass Krebs aus DNA-Schäden resultiert, der trotz DNA-Reparatur und/oder einer falschen Reaktion auf Schäden durch kritische Gene entsteht. Aufgrund der wichtigen Rolle von Folsäure in der DNA- und RNA-Synthese und Methylierung ist es möglich, dass die Folsäure-Aufnahme sowohl DNA-Reparatur als auch die Expression kritischer Gene beeinflussen kann.
Der Verzehr von mindestens fünf Portionen Obst und Gemüse täglich wurde konsistent mit einer verringerten Inzidenz von Krebs in Zusammenhang gebracht. Obst und Gemüse sind ausgezeichnete Nahrungsquellen der Folsäure, welche eine Rolle in der krebshemmenden Wirkung von Obst und Gemüse spielen könnte. Beobachtungsstudien konnten einen verminderten Folsäure-Status mit Krebserkrankungen des Gebärmutterhalses, des Dickdarms und Rektum, von Lunge, Speiseröhre, Gehirn, Bauchspeicheldrüse, und Brust in Verbindung bringen.
Interventionsstudien zur Folsäure-Ergänzung beim Menschen wurden vor allem im Hinblick auf Gebärmutterhals- und kolorektalen (Dickdarm- und rektalen) Krebs durchgeführt. Während die Ergebnisse zu Gebärmutterhalskrebs widersprüchlich sind (2), konnten randomisierte Studien in Bezug auf die Intervention beim kolorektalen Karzinom durch Folsäure vielversprechende Ergebnisse liefern (23, 24).
Darmkrebs
Eine kürzlich durchgeführte Meta-Analyse von sieben Kohortenstudien und neun Fallstudien konnte zwischen der Aufnahmemenge von Folsäure aus der Nahrung und dem Darmkrebsrisiko einen umgekehrten Zusammenhang feststellen, die Gesamtmenge der Folsäure aus Lebensmitteln und Ergänzungen konnte aber in keinen klaren Zusammenhang mit dem Risiko gebracht werden (25). Hier sollte beachtet werden, dass die Fallstudien in dieser Meta-Analyse sehr unterschiedlich und schwer vergleichbar waren, und dass die Autoren feststellten, dass z. B. Faktoren wie Ballaststoffe oder andere Vitamine ihre Ergebnisse verfälscht haben könnten.
Insgesamt ist die Rolle von Folsäure zur Prävention von Darmkrebs ein Beispiel für die Komplexität der Wechselwirkungen zwischen Genetik und Ernährung. Im Allgemeinen konnten Beobachtungsstudien feststellen, dass eine relativ niedrige Folat-Aufnahme und ein hoher Alkoholkonsum mit einer erhöhten Inzidenz von Darmkrebs zusammenhängt (1, 26, 27). Alkohol stört Absorption und Stoffwechsel von Folsäure (5). In einer prospektiven Studie mit mehr als 45.000 Männern, die im Gesundheitswesen arbeiteten, führte der Konsum von mehr als zwei alkoholischen Getränken am Tag zu einer Verdoppelung des Risikos, an Darmkrebs zu erkranken. Die Kombination von hohem Alkoholkonsum und niedriger Folat-Aufnahme führte zu einem noch größeren Risiko für Dickdarmkrebs, aber ein erhöhter Alkoholkonsum bei Personen, die 650 mcg oder mehr Folsäure pro Tag einnahmen, war nicht mit einem erhöhten Risiko von Darmkrebs assoziiert (28).
Bei einigen Studien zeigte sich für Personen, die homozygot für den C677T-MTHFR-Polymorphismus waren (also "TT", d. h. beide Kopien der normalen Genvariante hatten) eine Reduzierung des Risikos für Darmkrebs bei ausreichender Folat-Zufuhr. Wenn allerdings die Folsäure-Aufnahme gering war und/oder der Alkoholkonsum hoch, hatten auch diese Personen ein erhöhtes Risiko von Darmkrebs (29, 30).
Während die ernährungsbedingte Aufnahme von Folsäure vor Darmkrebs schützen kann, können bei bereits erkrankten Krebspatienten hohe Dosen von Folsäure das Tumorwachstum allerdings beschleunigen.
Eine aktuelle chemopräventive Studie bei Patienten mit einer Vorgeschichte von kolorektalen Adenomen fand einen Zusammenhang zwischen der Ergänzung von 1 mg Folsäure am Tag (mehr als doppelt so hoch wie die RDA) mit einem statistischen Trend für fortgeschrittene kolorektale Läsionen sowie mit einem signifikant erhöhten Risiko (mehr als 2-fach) für das Entstehen von drei oder mehr kolorektalen Adenomen (31). In dieser Studie wurde Folsäure-Ergänzung auch in Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für Krebserkrankungen an anderen Organen gebracht, vor allem der Prostata. Beobachtungsstudien mit Menschen sowie tierexperimentelle Studien mit Gabe von sehr hohen Folsäuremengen im Hinblick auf die Krebsentwicklung führten bisher zu widersprüchlichen und uneinheitlichen Ergebnissen. Daher ist mehr Forschung notwendig, um die Rolle von hochdosierter Folsäure in der Krebstherapie zu bestimmen.
Brustkrebs
Studien, die untersucht haben, ob eine Folsäure-Aufnahme das Brustkrebs-Risiko verändert, führten zu uneinheitlichen Ergebnissen (32). Die Ergebnisse von zwei prospektiven Studien deuten darauf hin, dass eine erhöhte Folsäure-Aufnahme das Brustkrebsrisiko bei Frauen, die regelmäßig Alkohol konsumieren, senken kann (33-35); moderater Alkoholkonsum wurde in vielen Studien mit einem erhöhten Risiko für Brustkrebs bei Frauen in Verbindung gebracht.
Interessant ist, dass eine sehr große prospektive Studie mit mehr als 88.000 Krankenschwestern davon berichtet, dass eine Folsäure-Aufnahme in keinem Zusammenhang mit Brustkrebs bei Frauen steht, die weniger als ein alkoholisches Getränk pro Tag zu sich nehmen. Bei Frauen, die mindestens ein alkoholisches Getränk pro Tag konsumieren, führte eine Folsäure-Aufnahme von mindestens 600 mcg täglich zu einer Halbierung des Brustkrebs-Risikos im Vergleich zu Frauen, die weniger als 300 mcg Folsäure täglich zu sich nahmen (35).
Eine Studie, in der 35.023 Daten zur Folsäureaufnahme über die normale Ernährung und über Nahrungsergänzungsmittel analysiert wurden, kommt zu dem Schluss: Die langfristige Aufnahme von Folsäure verringert das Risiko an Brustkrebs zu erkranken. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass eine hohe Aufnahme an Folsäure über einen Zeitraum von durchschnittlich 10 Jahren das Brustkrebsrisiko senkt - und zwar um 22 Prozent. Der positive Effekt der Folsäure bezieht sich aber vor allem auf die Tumore, die unabhängig von Östrogen wachsen. Diese treten zwar seltener auf, sind aber oft schwieriger zu behandeln. (67)
Alzheimer-Krankheit, Demenz und kognitive Beeinträchtigung
Die Rolle der Folsäure bei der Synthese von Nukleinsäuren des Erbguts und bei Methylierungsreaktionen ist von wesentlicher Bedeutung für eine gesunde Gehirnfunktion. In den vergangenen zehn Jahren haben viele Forscher Verbindungen zwischen einem niedrigem Folsäure-Status und kognitiven Störungen bei älteren Menschen aufgedeckt (36).
Eine große Querschnittstudie bei älteren Kanadiern hat herausgefunden, dass Personen mit niedrigem Serum-Folatspiegel eher zu Demenz, Heim- oder Krankenhausaufenthalten und Depressionen neigen. Allerdings könnten diese Erkenntnisse durch schlechteren Ernährungszustand der sich bereits in Krankenhäusern und Pflegeheimen befindlichen älteren Menschen und Personen mit Demenz beeinflusst sein. In der gleichen Studie wurden niedrige Folsäure-Blutwerte in Zusammenhang mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnisses bei älteren Personen gebracht, die keine Anzeichen von Demenz hatten (37). Eine Studie mit 30 älteren Nonnen aus dem gleichen Kloster, welche die gleiche Diät und ähnliche Lebensstile hatten, berichtet von einer starke Assoziation zwischen verringerten Folsäure-Blutwerten und der Schwere der Atrophie des Gehirns im Zusammenhang mit der Alzheimer-Krankheit (38). Neuere Studien lieferten widersprüchliche Ergebnisse im Bezug auf die Frage, ob der Folat-Status Auswirkungen auf das Risiko für die Alzheimer-Krankheit hat. Eine Studie bei älteren Menschen überwiegend hispanischer und afro-amerikanischer Herkunft mit einer hohen Prävalenz von vaskulären Risikofaktoren berichtet, dass eine höhere Folsäure-Aufnahme durch Nahrung und Ergänzung im Zusammenhang mit einem niedrigeren Risiko für die Alzheimer-Krankheit steht (39). Im Gegensatz dazu berichtet eine prospektive Studie mit älteren Personen, dass ernährungsbedingt aufgenommene Folsäure nicht im Zusammenhang mit der Alzheimer-Krankheit steht (40) und eine weitere prospektive Studie berichtet, dass eine hohe Folsäure-Aufnahme von Lebensmitteln und Ergänzungen im Zusammenhang mit erhöhtem kognitiven Abbau bei älteren Menschen steht (41).
Mäßig erhöhte Homocysteinspiegel, sowie niedrige Folsäure- und Vitamin-B12-Spiegel wurden in Zusammenhang mit der Alzheimer-Krankheit und vaskulärer Demenz gebracht. Eine Studie mit 370 älteren Männern und Frauen, die über mehr als drei Jahre beobachtet wurden, zeigte einen Zusammenhang von niedrigen Serumspiegeln von Vitamin B12 (<150 pmol/l) oder Folsäure (<10 nmol/L) mit einer Verdoppelung des Risikos für die Entwicklung der Alzheimer-Krankheit (42). In einer Stichprobe von 1092 Männern und Frauen ohne Demenz, die im Durchschnitt über zehn Jahre lang beobachtet wurden, hatten die Teilnehmer mit höheren Homocystein-Blutwerten zu Studienbeginn ein deutlich höheres Risiko für die Entwicklung der Alzheimer-Krankheit und von anderen Formen der Demenz (43). Probanden mit einem Homocystein-Blutwert von mehr als 14 Mikromol/Liter hatten ein fast doppelt so hohes Risiko für die Entwicklung der Alzheimer-Krankheit wie andere Teilnehmer.