Pneumokokken-Erkrankungen
Themen
Erreger, Übertragung, Vorkommen
Invasive Pneumokokken-Erkrankungen in Deutschland
Krankheitsbilder
Immunität
Risikofaktoren für schwere Pneumokokken-Erkrankungen
Impfungen gegen Pneumokokken
Erreger, Übertragung, Vorkommen
Erreger
Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) sind Bakterien, die von einer Polysaccharidkapsel ("Zuckerkapsel") umgeben sind. Diese schützt die Bakterien erfolgreich von den Fresszellen des Immunsystems. Anhand der Struktur ihrer Polysaccharidkapsel lassen sich mehr als 90 Serotypen unterscheiden. Von diesen sind ca. 20 Serotypen am gefährlichsten, die weltweit die meisten Pneumokokken-Bakteriämien und Meningitiden verursachen. Gegen diese Serotypen kann man impfen. Da viele bakterielle Krankheitserreger Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln, spielt die Immunisierung als vorbeugende Maßname eine zunehmend wichtige Rolle.
Übertragung
Die Bakterien werden von Mensch zu Mensch über Tröpfchen übertragen. Die Inkubationszeit beträgt etwa 1 - 3 Tage. Der Zeitraum der Infektiösität ist nicht genauer bekannt. Hat man mit einer Antibiotikum-Therapie begonnen, bleiben die Erkrankten noch etwa 24 Stunden ansteckend.
Vorkommen
Der Erreger, Streptococcus pneumoniae, kommt weltweit vor und ist der Haupverursacher von Erkrankungen bei jungen und älteren Kinder. Pneumokokken stellen in Europa die Hauptursache für bakterielle Lungenentzündung (Pneumonie), Meningitis (Hinrhautentzündung) und Mittelohrentzündung dar.
Fallzahlen invasiver Pneumokokken-Erkrankungen (IPD) in Deutschland 2019
Gesamtzahl der IPD-Erkrankungen in Deutschland 2019 betrug 726.
Krankheitsbilder
Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) leben auf der Schleimhaut des Nasenrachenraums des Menschen und verursachen normalerweise keine Symptome, da sie vom Immunsystem gut in Schach gehalten werden können. Die Besiedlung des Nasenrachenraums mit Pneumokokken erfolgt sehr früh, etwa bis zum 6. Lebensmonat. Nach Schätzungen der ECDC (European Centre of Disease Prevention and Control) sind etwa 20 - 40 % der Kinder und 5 - 10 % der Erwachsenen symptomlose Träger von Pneumokokken.
Breiten sich die Bakterien vom Nasenrachenraum aus, können sie Krankheiten der oberen und unteren Atemwege verursachen, wie Nasennebenhöhlenentzündung (Sinusitis), Mittelohrentzündung (Otitis media) und Lungenentzündung (Pneumonie). Gefährlich wird es, wenn sich die Bakterien in sonst sterile Körperflüssigkeiten ausbreiten, wie Blut und Hirnflüssigkeit, so entwickelt sich eine sogenannte invasive Pneumokokken-Erkrankung (IPD).
Sinusitis
Bei der Nasennebenhöhlenentzündung treten Fieber und Kopfschmerzen auf, die Nebenhöhlen sind vereitert. Säuglinge erkranken nur selten an einer Entzündung der Kieferhöhlen, weil diese noch nicht vollständig ausgebildet sind. Das sogenannte Siebbeinzellensystem kann aber bei ihnen auch betroffen sein.
Otitis media
Eine Mittelohrentzündung verursacht bei den betroffenen Kindern starke Ohrenschmerzen und Fieber. Manche Kinder leiden unter häufig wiederkehrenden Mittelohrentzündungen. In Deutschland erkranken nach Schätzungen jährlich 300.000 bis 600.000 Kinder unter fünf Jahren an akuter Mittelohrentzündung.
Pneumokokken-Pneumonie
Menschen über 50 Jahren erkranken meist an Lungenentzündung. Diese ist auch deshalb besonders gefährlich, weil sie leicht übersehen wird. Typische Krankheitssymptome, wie plötzliches hohes Fieber, Schüttelfrost, Husten, eitriger Auswurf, sind im Alter seltener. Typischerweise beginnt die Lungenentzündung nach vorausgegangenem Infekt der oberen Atemwege. Säuglinge zeigen neben Husten oftmals untypische Symptome wie Trinkschwäche oder Schnupfen. Kleinkinder leiden unter Husten, schnellem Puls, sind blass und haben Fieber.
Invasive Pneumokokken-Erkrankungen
Invasive Pneumokokken-Erkrankungen (PID), bei denen sich die Erreger in normalerweise sterile Körperflüssigkeiten ausbreiten, wie bei Bakteriämien und Meningitiden, sind besonders gefährlich. Das Risiko für eine schwere invasive Pneumokokken-Erkrankung ist altersabhängig. Kinder in den ersten beiden Lebensjahren und ältere Menschen sind besonders gefährdet.
- Über Bakteriämie spricht man, wenn die Bakterien im Blut vorkommen. Bakteriämie ist die häufigste Form der PID, sie entsteht meist als Folge einer Pneumokokken-Pneumonie.
- Bei Meningitis (Hirnhaut- bzw. Rückenmarkshaut-Entzündung) werden die Erreger in der Gehirn- oder Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) nachgewiesen. Pneumokokken gelangen entweder über die Atemwege in den Blutstrom, und so in die Hirnhaut oder z. B. bei einer Verletzung des Schädels. Die Zeichen einer Meningitis sind Fieber, Reizbarkeit, Verwirrtheit und Anfälle. Die Sterblichkeit beträgt etwa 10–30%. Eine Pneumokokken-Meningitis bringt ein höheres Risiko fürs Versterben oder für dauerhafte Behinderungen mit sich als andere, von Bakterien verursachte Hirnhautentzündungen.
Symptome einer Meningitis
Der Hirnhautentzündung geht meist ebenfalls eine Infektion der oberen Atemwege voraus. Im Säuglingsalter haben Kinder hohes Fieber, erbrechen, sind apathisch oder unruhig, verweigern die Nahrung oder erleiden Krampfanfälle. Sind die Kinder älter als ein Jahr, tritt die typische Nackensteifheit auf, darüber hinaus Kopfschmerzen und Bewusstseinsstörungen. Auch wenn das Kind die Infektion überlebt, kann es Hirnschäden zurückbehalten, taub sein oder schlechter sehen. Bei Kindern unter fünf Jahren sind Pneumokokken die zweithäufigste Ursache für akute bakterielle Hirnhautentzündungen.
- Sepsis ist die schwerste Folge einer Infektion, sie ist ein lebensbedrohliches Multiorganversagen und entsteht aufgrund einer überschießenden Immunreaktion des Körpers auf Infektionskeime. Nicht nur Bakterien, auch Viren, Pilze oder Parasiten können eine Sepsis auslösen.
Letalität invasiver Pneumokokken-Erkrankungen
Wie die Daten von ECDC (European Centre of Disease Prevention and Control) zeigen, sind in der EU 2017 von 10.006 Erkrankten 1.548 verstorben, das entspricht 15%. Die Letalität steigt mit wachsendem Alter: 3% bei Kinder unter 15 Jahren, 6% bei 15–44 Jährigen, 11% in 45–64 Jährigen und 22% bei Personen ab 65 Jahren.
Es gibt auch verschiedene Risikofaktoren, wie Erkrankungen des Immunsystems oder chronische Krankheiten, die das Risiko für IPD erhöhen. In Deutschland sterben jährlich schätzungsweise über 5000 Menschen an einer Pneumokokken-Erkrankung.
Immunität
Eine Immunität nach überstandener Erkrankung ensteht nur gegen den Pneumokokken-Serotyp, der die Erkrankung verursachte.
Risikofaktoren für schwere Pneumokokken-Erkrankungen
1. Menschen, deren Immunsystem nicht vollständig funktionsfähig ist wegen angeborenen oder erworbenen Immundefekten, oder wegen einer Immunsuppression, haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer Pneumokokken-Infektion:
- T-Zell-Defizienz, oder gestörte T-Zell-Funktion
- B-Zell- oder Antikörperdefizienz (Hypoagammaglobulinämie)
- Defizienz oder Funktionsstörung von myelotischen Blutzellen (z. B. Neutropenie)
- Komplement- oder Properindefizienz
- funktioneller Hyposplenismus (z. B. bei Sichelzellanämie)
- anatomische Asplenie (das Fehlen von Milz) oder Splenektomie (operatives Entfernen von Milz)
- neoplastische Krankheiten
- HIV-Infektion
- nach Knochenmarktransplantation
- unter immunsuppressiver Therapie (z. B. wegen Autoimmunerkrankung oder Organtransplantation)
- Immundefizienz bei chronischem Nierenversagen, nephrotischem Syndrom oder chronischer Leberinsuffizienz
2. Menschen mit sonstigen chronischen Krankheiten, wie z. B.:
- chronische Erkrankungen des Herzens oder der Atmungsorgane (z. B. Asthma, Lungenemphysem, COPD)
- Stoffwechselkrankheiten (z. B. Diabetes mellitus, wenn medikamentös behandelt)
- neurologische Krankheiten (z. B. Zerebralparesen, Anfallsleiden)
3. Anatomische oder fremdkörperassoziierte Risiken für Pneumokokken-Meningitis, wie z. B.:
- Liquorfistel
- Kochlea-Implantat
4. Berufliche Tätigkeiten:
- Schweißen und Trennen von Metallen (Einatmen von Metallrauchen und Schweißrauchen)
Impfungen gegen Pneumokokken - Empfehlungen der STIKO
aktualisiert : 17.10.2023
Impfstoffe
Schutz vor Pneumokokken bieten unterschiedliche Impfstoffe, die gegen den wichtigsten Serotypen gerichtet sind. In Deutschland stehen vier sogenannte Konjugat-Impfstoffe zur Verfügung, sie bieten Schutz gegen 10, 13, 15 bzw. 20 verschiedenen Serotypen. Auch ein Polysaccharid-Impfstoff, der gegen 23 verschiedenen Serotypen schützt ist zugelassen, verwendbar ab 2 Jahren.
Säuglingsimpfung
Für die Grundimmunisierung von Säuglingen und Kleinkindern bis zum Alter von 24 Monaten werden von der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut (STIKO) sogenannte Konjugat-Impfstoffe empfohlen.
In den sog. Konjugatimpfstoffen werden Zuckerkapselstücke der Bakterien an Trägerproteine (Eiweiße) gekoppelt – konjugiert. Konjugatimpfstoffe haben den Vorteil, dass Sie wegen des Trägerproteins einen stärkeren Immunantwort auslösen können. Ziel der generellen Impfung aller Kinder bis zum Alter von 24 Monaten ist es, die Zahl schwerer invasiver Pneumokokken-Erkrankunkungen (IPD) und deren Folgen - wie Amputation von Gliedmaßen oder Tod - zu reduzieren.
Der Impfkalender sieht vor, dass Säuglingen ab 2 Monaten 2 Impfstoffdosen Pneumokokken-Konjugatimpfstoff im Abstand von 8 Wochen verabreicht werden. Frühgeborene erhalten ab dem chronologischen Alter von 2 Monaten 3 Impfstoffdosen im Abstand von jeweils 4 Wochen.
Die Grundimmunisierung wird mit einem weiteren (3. bzw. bei Frühgeborenen 4.) Dosis im Alter von 11 Monaten und im Abstand von mindestens 6 Monaten zur vorausgegangenen Impfung abgeschlossen.
Die Pneumokokken-Impfung kann parallel mit den anderen Kinderimpfungen, zum Beispiel 5- oder 6-fach-Impfstoff, gegeben werden.
Wurden die Impfungen versäumt, kann und soll bis zum 2. Geburtstag nachgeimpft werden. Wenn die erste Impfdosis erst im Alter über 12 Monate verabreicht wird, werden insgesamt nur 2 Impfstoffdosen im Abstand von mindestens 8 Wochen als Nachholimpfung verimpft.
Die STIKO empfiehlt für die Säuglingsimpfung die Verwendung des 13- oder 15-valenten Pneumokokken-Konjugatimpfstoffs.
Pneumokokken-Standardimpfung für Menschen ab 60 Jahre
Die STIKO empfiehlt die Impfung bereits seit 1998 routinemäßig für alle Menschen ab 60 Jahre. Bislang wurde von der STIKO für alle ab 60 Jahren eine Impfung mit einem 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff (PPSV23) empfohlen. Die Ständige Impfkommision hat am 28. September 2023 ihre Empfehlungen für die Impfung gegen Pneumokokken aktualisiert. Hintergrund dafür war die Verfügbarkeit eines zusätzlichen Pneumokokken-Konjugatimpfstoffs (PCV20), der gegen 20 verschiedene Pneumokokken-Erregertypen gerichtet und ab 18 Jahren zugelassen ist. Laut neuer Impfempfehlung sollen alle ab 60 Jahren eine Impfstoffdosis mit PCV20 erhalten. Diejenigen, die früher bereits mit dem Polysacccharidimpfstoff (PPSV23) gegen Pneumokokken geimpft wurden sollen im Mindestabstand von 6 Jahren zu dieser vergangenen Impfung den PCV20-Impfstoff erhalten. Die Pneumokokken-Schutzimpfung kann gleichzeitig mit der Impfung gegen saisonale Influenza oder gegen COVID-19 erfolgen (Quelle: Stellungnahme der STIKO anlässlich der Zulaasung von XBB.1.5-Varianten-adaptierten COVID-19-Impfstoffen für die Auffrischimpfung von Personen mit erhöhtem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf Stand: 18.09.2023).
Indikationsimpfungen:
Pneumokokken-Impfung für Menschen mit erhöhtem Risiko
Für Menschen, die ein erhöhtes Risiko (Risikofaktoren) für eine schwere Pneumokokken-Erkrankung haben, empfiehlt die STIKO die Impfung gegen Pneumokokken unabhängig vom Alter:
- Angeborene oder erworbene Immundefekte bzw. Immunsuppression.
- Chronisch kranke Menschen (z. B. Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankungen, bei Diabetes oder Störungen der Immunabwehr).
- Anatomische und fremdkörperassoziierte Risiken für Pneumokokken-Meningitis (z. B. Liquorfistel, Cochlea-Implantat).
- Berufliche Indikation: Schweißen und Trennen von Metallen, wenn Rauche eingeatmet werden.
Indikationsimpfung für Kinder ab dem Alter von 2 Jahren und Jugendliche (Risikogruppen 1, 2 und 3):
- sequenzielle Impfung, bestehend aus einer Impfstoffdosis mit dem 13- oder 15-valenten Pneumokokken-Konjugatimpfstoff, gefolgt nach 6 -12 Monaten von einer Impfstoffdosis mit dem Polysaccharid-Impfstoff. Besonders ungeimpfte oder mit dem 10-valenten Konjugatimpfstoff vorgeimpfte Kinder können von der Verwendung des 15-valenten Konjugatimpstoffs profitieren.
- die Impfung mit dem Polysaccharid-Impfstoff soll alle 6 Jahre wiederholt werden (im Mindestabstand von 6 Jahren).
Indikationsimpfung für Erwachsene ab 18 Jahren (Risikogruppen 1, 2 und 3):
- eine Impfstoffdosis mit dem 20-valenten Pneumokokken-Konjugatimpfstoff (PCV20)
- Personen, die in der Vergangenheit sequenziell geimpft wurden (PCV13+PPSV23) sollen im Mindestabstand von 6 Jahren zur PPSV23 eine Impfung mit PCV20 erhalten. Bei ausgeprägtem Immundefizienz kann dieser Abstand auf 1 Jahr verringert werden.
- ob es Wiederholungsimpfungen nötig sein werden ist anhand der Datenlage zur gegenwärtigen Zeitpunkt nicht klar (Stand: 28.09.2023).
Der STIKO empfiehlt bei beruflicher Indikation (Risikogruppe 4):
- eine Impfstoffdosis mit dem 20-valenten Pneumokokken-Konjugatimpfstoff (PCV20)
- ob es Wiederholungsimpfungen nötig sein werden ist anhand der Datenlage zur gegenwärtigen Zeitpunkt nicht klar (Stand: 28.09.2023)
Quellen:
- STIKO-Impfempfehlungen 2023, Epidemiologisches Bulletin 4/2023
- STIKO: Stellungnahme zum Einsatz von Pneumokokken-Konjugatimpfstoffen im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter, Epidemiologisches Bulletin 20/2023
- STIKO: Aktualisierung der mpfehlungen zur Pneumokokken-Impfung, Epidemiologisches Bulletin 39/2023
Erstellt: 08.04.2020
Aktualisiert: 17.10.2023
Quellen:
- ECDC: Disease factsheet about pneumococcal disease
- ECDC: Invasive pneumococcal disease, Annual Epidemiological Report for 2017
- Robert Koch-Institut (RKI): Schutzimpfungen gegen Pneumokokken: Häufig gestellte Fragen und Antworten.
- RKI: PneumoWeb Laborsentinel invasiver Pneumokokken-Erkrankungen
- SurvStat, RKI
- WHO: Pneumonia
- STIKO-Impfempfehlungen 2023 in: Epidemiologisches Bulletin 4/2023
- STIKO: Stellungnahme zum Einsatz von Pneumokokken-Konjugatimpfstoffen im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter, Epidemiologisches Bulletin 20/2023
- STIKO: Aktualisierung der mpfehlungen zur Pneumokokken-Impfung, Epidemiologisches Bulletin 39/2023